Cortijo los Aguilares: Höhenluft schnuppern

Cortijo los Aguilares: Höhenluft schnuppern

Auf den Spuren meiner Weinerinnerung: Ein Besuch bei Cortijo los Aguilares in der idyllischen Serranía de Ronda. Andalusien mal anders.

Manche Dinge bleiben hängen. Gerade beim Wein, der schnell im Hirn zu einer liebsamen Erinnerung reift, sobald er richtig gut ist. So erging es mir vor einigen Jahren mit einem Pinot Noir aus Südspanien, also Andalusien, genauer aus der Sierra de Málaga und noch genauer aus der Serranía de Ronda. Zwar sträubten sich zunächst die Haare des braven Vorwissens: Ein Pinot Noir aus dieser Region, wie soll das funktionieren? Doch geriet der leichte Schlag auf den vinologischen Hinterkopf seitens Freund Weinlakai zum Erweckungserlebnis. Was für ein Wein, was für ein grandioser Stoff.

Déjà bu: Cortijo los Aguilares

Vor sechs Jahren erfolgte diese glückliche Markierung in meinem Weingedächtnis. Dabei kam der 2013er Pinot Noir ins Glas. Vielleicht ein wenig jung, aber dennoch eindrucksvoll genug. Ich erinnere mich an ein kühles, schönes Spiel von typischen Kirscheindrücken und feinen Kräuternoten, alles überraschend filigran und delikat, also überhaupt nicht heißes Andalusien. Blöderweise habe ich mir damals keine Notizen gemacht.

Wink eines weinfreudigen Schicksals oder nur ein nicht kontrollierter Seitenimpuls des Berufsleben, auf jeden Fall kam ich bei einer Visite in Granada auf die Idee, doch einfach mal Cortijo los Aguilares​​​​​​​ einen Besuch abzustatten. Vor Ort erfahren, was dieses Weingut so besonders macht. Nachfragen, welche Philosophie dahinter steht und natürlich ein paar Weine probieren. Vale!
 

Gelegenheit macht Liebe: aquí estoy

Die Sierras de Málaga erhielten 2002 den Status als DOP. Unterteilt ist das Anbaugebiet in die sieben Unterbereiche Axarquía, Costa Occidental, Manilva, Montes de Málaga, Norte de Málaga, Serranía de Ronda und Sierra de las Nieves. Cortijo los Aguilares wartet mit Weinen aus den beiden letztgenannten Unterbereichen auf. Dabei ist insbesondere die Sierras de las Nieves zu nennen, die sogar Schnee (nieves) im Namen trägt. Die Rebflächen der Bodega Cortijo los Aguilares befinden sich auf 900 Meter Meereshöhe und mehr. Und überhaupt Meer: sowohl das Mittelmeer (50 Kilometer entfernt) als auch der Atlantik (etwa 60 Kilometer nah) spielen bei den Mikroklimata der Sierras de las Nieves mit. Ansonsten: heiße, trockene Sommer und kalte Winter und um die 800 Millimeter Niederschlag im Jahr.

Die DOP Sierras de Málaga geht es recht pragmatisch an und erlaubt sowohl einheimische als als auch internationale Rebsorten. Bei den Rotweinen sind dies beispielsweise Romé, Tempranillo, Garnacha Tinta, Graciano, Monastrell, Jaén Tinto, aber auch Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah, Cabernet Franc, Pinot Noir, Petit Verdot, Malbec und – tatsächlich – Blaufränkisch. Der Rebsortenspiegel von Cortijo los Aguilares ist entsprechend bunt: Auf 25 Hektar verteilen sich Pinot Noir, Petit Verdot, Tempranillo, Garnacha, Syrah, Cabernet Sauvignon, Merlot und Graciano, wobei die französischen Reben deutlich im Vordergrund stehen.
 

Idylle der andalusischen Art: karg, schön & bio

Gerade bei andalusischem Lichte betrachtet sind 25 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche gar nichts. Der Hinweis auf die insgesamt 800 Hektar der Finca Cortijo los Aguilares hilft dies vernünftig einzuordnen. Oliven, Korkeichen, Viehwirtschaft laufen ebenfalls unter diesem Namen. Da sind die Eigentumsverhältnisse im Burgund das genaue Gegenteil. Vor 25 Jahren, sprich 1999 erwerben der baskische Industrielle José Antonio Itarte und seine Frau Victoria das Landgut und legen ein Jahr später die ersten 19 Hektar Rebfläche an. Dies markiert die Stunde Null der Bodega, die mittlerweile zu den Leuchttürmen der Region zählt. 

Von Beginn an setzt das Weingut auf Klasse statt Masse. Dies meint zuerst den scharfen Blick für die Besonderheiten der einzelnen Lagen Encinar, Calero und Olivar, aber auch ein striktes Augenmerk für die Grundsätze des biologischen Anbaus inklusive des Verzichts auf Pestizide und Herbizide. Top-Ausrüstung im Keller und alles unter der Ägide von Önologin Bibi García: so lauten die Basics der Bodega und ihrer Weine. Auch die Zugehörigkeit zu den Pagos de España ist als Qualitätsnachweis zu verstehen. Der Zusammenschluss von 34 Weingütern aus ganz Spanien sieht das Heil in der konsequenten Ausrichtung der Arbeit auf die Besonderheiten einer Lage. Weine sind demnach in erster Linie Ausdruck von Boden und der für diese Lage prädestinierten Rebsorte.

Tinto 2022: Türöffner für mehr

Den Auftakt im Glas macht der 2022er Tinto von Cortijo los Aguileras, der als junger, frucht- und frischebetonter Rotwein, die Türe zu den anderen Tintos öffnet. Eine Cuvée aus 74 Prozent Tempranillo, 15 Prozent Syrah sowie elf Prozent Garnacha. Die Trauben liegen vor dem Entrappen und Pressen 24 Stunden im Kühlhaus bei zwei Grad Celsius, alkoholische und malaolaktische Gärung jeweils im Betontank – kein Holz gesehen.

Ganz viel rote Frucht, vor allem Kirsche und Himbeere alles mit Zug und Trinkspaß aufbereitet. Dazu gesellen sich feine, Kräutertöne, balsamische Noten und eine Spur Laktisches. Dabei balanciert und sofort zugänglich mit dem rechten Touch Tannin. Füllig, aber mit Spannung und beflügelnder Frische. Ein immer-wieder-gern-Tinto, erst recht als Essensbegleiter.
 

Los geht es: Pago el Espino 2020

Geben beim Tinto mit Tempranillo und Garnacha noch die spanischen Rebsorten den Ton, kehrt der Pago el Espino den Spieß um. Der 2020er Jahrgang wird aus 73 Prozent Petit Verdot, 17 Prozent Syrah sowie zehn Prozent Tempranillo vermählt. Temperaturkontrollierte Fermentation sowie malokatische Gärung im Betontank. Dazu kommen 15 Monate Reife in französischen Eichenholzfässern von 225 und 300 Liter.

Wieder präsente Frucht, dieses Mal jedoch dunkler, mehr Waldbeeren, vor allem Brombeeren, aber auch Cassis, die sich balsamisch einwickeln lassen. Sehr vielschichtig, Mineralisches und ein Hauch von frischem Teig stellen sich ein. Im Munde tritt die Frucht etwas zurück, ein schön gewebter Tanninteppich rollt sich aus. Eleganz und Ausgewogenheit, ein frischer Zug rücken nun in den Vordergrund. Das alles bei respektabler Fülle und toller Länge. Hat auch noch etwas Zeit vor sich, um noch mehr die Komplexitäts-Karte zu spielen.
 

Tadeo 2020: kommt einem französisch vor

Das Pendel der Rebsorten schlägt beim Tadeo noch deutlicher aus: nämlich zu 100 Prozent zur Bordeaux-Rebe Petit Verdot. Diesen Wein gibt es in zwei Versionen. Ich habe den Tadeo im Glas, der für 16 Monate in französischen Barrique-Fässern unter schiedlicher Größe reift. Es gibt aber noch eine kleine Auflage des Tadeo, die in 900 Liter fassenden Tonamphoren ausgebaut wird und reift (zwölf Monate). Dieser Wein ist jedoch quasi ausverkauft, sobald er nur angeboten wird.

Dunkle Beerenfrucht mit Brombeeren, Heidelbeeren und reifen Kirschen marschiert hier auf und markante kräuterig-würzige Eindrücke wie Pfeffer und Fenchel. So vielschichtig an Nase und am Gaumen mit muskulösen Spiel von feuchtem Waldboden, Tabak und Zedernholz, aber auch etwas Kaffee und Vanille. Da ist das Weinhirn ordentlich am Arbeiten und Verzetteln – und allein das macht Spaß. Mit ordentlich Körper, aber bereits gut eingefangenen Tanninen. Das ist Eleganz mit Format, aber der 2020er stirbt deutlich zu jung im Glas. Da geht noch was.

Das Haar in der Suppe: Salud

Das mit der Reife ist ein wenig die Crux an den guten Weinen von Cortijo los Aguilares. Die Weine landen relativ früh im Verkauf und sind nur zu schnell nicht mehr verfügbar. Gut für das Weingut, schlecht für mich. Bleibt nur: rechtzeitig kaufen und sich lange geduldig zeigen. Salud.
 

 

Michael Stolzke/ Auf ein Glas