Monastrell-Kongress in Alicante: einer Rebsorte auf der Geschmacksspur
Die Zeiten, in denen das Mittelmeer uns als mare nostrum eines großen Kulturraums galt, scheinen versunken. Heute lenkt eher das Trennende denn das Verbindende unseren Blick auf das Meer in der Kontinentenmitte. Dafür lieben wir das Adjektiv "mediterran" um so mehr. Es ist willkommenes Attribut in der Küche und in der Kochbücherei. Es geht schnell vielen als Synonym für die südliche Leichtigkeit des Seins über die Zunge und tatsächlich verbinden wir gewisse Geschmäcker und Aromen mit dieser Bezeichnung. Dabei ist immer nur ein Teil einer Kochstilistik, einer Würzmischung, einer Zutat, eines Dinges mediterran. Hat das Wort mediterran überhaupt einen sinnlichen Inhalt?
Nicht nur einen - soviel ist gewiss. Also geht es darum, diesen Assoziationsraum zu erkunden, ihn mit Bildern und Geschmäckern, mit Dingen und Vorstellungen zu füllen. Dies lässt sich auf vielfältige Weise bewerkstelligen. In Alicante unternahm man diesen Versuch ganz konventionell mit einem Kongress und am Beispiel einer Rebsorte, dem Monastrell. Dort, im Osten Spaniens, hat der Monastrell seinen Ursprung, sein Anbau ist seit dem 14. Jahrhundert dokumentiert. Wein überhaupt stellt man in der Levante schon über 2.500 Jahre her, wie die Fundstellen Las Pilillas bei Requena zeigen. Wein ist folglich Bestandteil der geschichtlichen und kulturellen Identität dieser Region. Um so mehr beklagte der Präsident des Anbaugebiets Alicante, Antonio Navarro, dass bereits viele autochtone Rebsorten verschwunden seien. Deshalb, so der Präsident des Consejo Regulador des Anbaugebietes auf dem Kongress, sei der Monastrell ein so wichtiger Botschafter der mediterranen Kultur Spaniens.
Medium zwischen den Ländern
"La España mediterránea" - da ist es wieder, das Attribut, und dieses Mal schwingt sogar eine maritime Note mit. In Frankreich, an der südlichen Rhône und hinunter bis ins Languedoc kennt man den Monastrell als Mourvèdre. In vielen klassischen Appellationsweinen wie Rasteau, Gigondas oder Lirac zählt die als schwierig verrufene Rebsorte zur traditionellen Cuvée.
Der Name Mourvèdre leitet sich von der spanischen Hafenstadt Murviedro bei Sagunto ab, von wo aus der Monastrell der Region Alicante nach Frankreich verschifft wurde. Das Mittelmeer ist in dieser Geschichte Teil des Absenders, des Empfängers und des verbindenden Mediums. Aber wie schmeckt der Monastrell, wie der Mourvèdre? Vom Mataró aus Australien und Kalifornien, hinter denen sich gleichfalls der Monastrell verbirgt, ganz zu schweigen. Dabei hat der Mataró eine ähnliche Namensherleitung wie der Mourvèdre – dieses Mal liegt die taufende Hafenstadt weiter nördlich, näher bei Barcelona.
Selbstverständlich schmecken diese Weine ganz unterschiedlich und nicht nur irgendwie mediterran. Bereits zwischen den Monastrell Weinen aus Yecla und Alicante, Almansa, Jumilla und Bullas finden Zunge und Gaumen merkliche Unterschiede. Und wie anders schmecken die reinrebsortigen Mourvèdre aus dem französischen Bandol oder gar der Mourvèdre in der Cuvée eines Châteauneuf-du-Pape. Nicht ganz selbstverständlich, zumindest für die spanischen Winzer, ist jedoch die unterschiedliche Wertschätzung von Monastrell und Mourvèdre. Zwar haben die Spanier in den vergangenen Jahren beständig aufgeholt und die Emanzipation des Monastrells zur vollwertigen und eben nicht nur Struktur verleihenden Verschnitt-Rebsorte, ist längst vollzogen – doch vergleicht man die Preisniveaus der entsprechenden Weine versteht man die Klage der Winzer aus der Levante. Anscheinend zahlt sich das Mediterrane nicht immer gleich aus.
Noch mehr übliche Verdächtige
Und die Konkurrenz ist groß. In derselben Region lässt sich eine ähnliche Geschichte für den Bobal erzählen und auch der Garnacha oder Grenache hat schließlich in Spanien seine Heimat. Auf diese gemeinsame Herkunft ließ man sich, bedauerlicherweise, auf dem Kongress in Alicante nicht ein. Die Organisatoren wollten das Besondere des Monastrells herausstellen, weshalb bereits benachbarte Anbaugebiete und ihre Rebsorten unter den mediterranen Tisch fielen. Dafür bot der Kongress aber die Gelegenheit, in Verkostungen den unterschiedlichen Ausprägungen des Monastrells trinkfreudig zu folgen.
Nach den Vorträgen und Diskussionsrunden kam also die Probe auf's Exempel. Eine kostbare Gelegenheit, ganz konzentriert einer Rebsorte auf die Spur zu kommen und mit dieser Rebsorte dem Mediterranen hinterher zu schmecken. Monastrell ist eine kleine, sehr dickschalige Traube, die in der Regel sehr intensive, tannin- und alkoholreiche Weine produziert. Daher ist eine volle Reife sehr entscheidend. Anderenfalls sind die Weine zu wenig fruchtaromatisch und durch adstringierende Tannine geprägt. Diese volle Reife erfordert ein sehr warmes Klima, da die Rebsorte extrem spät reift.
Zugleich eine Lehrstunde diese Verkostung: Denn gutwillig mag man die dunkle, dichte Farbe, die eher an Brombeer erinnernde Note als Gemeinsamkeit durchgehen lassen, aber darüber legen sich deutlicher ausgeprägt die einzelne Lage und die Stilistik der Winzer. Die eher Frucht betonenden Einstiegsweine der Bodegas mögen der Rebsorte noch am nächsten kommen. Das kann aber kein Grund sein, sich dem Handwerk der Weinmacher zu verschließen und zu verkosten, was sie aus dieser Traube noch rausholen. Und spätestens dann klopfen alle Nicht-Weinakademiker auf die Matte.
Mehr Mittelmeer bitte
Ein Verkostungsangebot löste sich vom reinen Wein. Sommelier und Bar-Experte Jose Joaquin Cortes kredenzte Cocktails, die klassische Rezepte mit einem Monastrell als Zutat variierten. Ein reinigender Kontrast zu den vielen Weinen gab zum Beispiel der "Vinalopy" ab, der auf Weinbasis und mit Bourbon und Angostura gemixt, dem mediterranen Gedanken einen ganz anderen Akzent verlieh. Aber wäre dieser Drink nicht auch mit einem Bobal, Graciano oder Garnacha denkbar gewesen? Die beiden Podiumsdiskussionen, die sich dem Monastrell als "Zutat" für die Gastronomie widmeten, stolperten bemüht an derselben Stelle. Deshalb gab es die besten Beiträge, wenn es um den generellen Stellenwert heimischer Weine in der Spitzengastronomie ging und – hier ist insbesondere Pedro Ballesteros zu nennen – sich die Diskutanten für ein neues, altes Selbstverständnis des Weintrinkens in der Alltagskultur aussprachen.
Als ausländischem Betrachter des so anregenden Geschehens konnte man den Eindruck gewinnen, dass der Kongress den Wald vor lauter Bäumen nicht sah. Die Vielfalt der Rebsorte war bei aller Monothematik letztlich der Star des Kongresses. Und gerade in diesem Detail verbirgt sich der Fingerzeig auf das Mediterrane. Es ist eben nicht nur der Monastrell, der dieses Attribut füllen kann, seine – wie auch immer die genetischen Untersuchungen gedeutet werden Geschwister im Geiste des Mittelmeers zählen einfach dazu. Aber das ist vielleicht das Thema für einen zweiten Kongress in der Levante.
Linktipps
Website des Kongresses (span./engl.)
Website mit Wein-Cocktails von Jose Joaquin Cortes
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