Wahrheit im Wein: über das Tun und Lassen des Winzers Alois Lageder
Alois Lageder muss man sich als einen glücklichen Menschen vorstellen. Nicht nur, dass er in einer der schönsten Ecken inmitten des lockenden Südtirols zu Hause ist. Nicht nur, dass sein Weingut in der fünften Generation erstklassigen Wein produziert. Nein, er ist ein Mann, dem man glaubt, was er sagt. Jemand, der seine Profession lebt.
Südtirol ist anders. Man kann auch sagen, es sei speziell. Wer einmal nach Südtirol gefahren ist, der weiß, dass man hier zwar in Italien, aber irgendwie auch tatsächlich in Tirol ist. Das Wetter ist freundlicher als in den nördlichen Gebieten der Alpen, die Menschen sind offen und herzlich. Die wunderbar vielseitige Landschaft birgt das Potential, die unterschiedlichsten Menschen glücklich zu stimmen.
Die Südtiroler sind froh über ihre regionale Eigenständigkeit und haben gelernt, die Tradition als Grundlage ihrer ganz eigenen Moderne zu verstehen. Nirgendwo zeigt sich dies offensichtlicher als in der Weinproduktion, und einer ihrer Lokalhelden mit internationalen Ruf ist Alois Lageder aus Margreid. Er steht für eine Besinnung auf die traditionelle Weinherstellung, die sich an Qualität und Originalität misst. Vom ganzheitlichen Umgang mit der Rebe und der selektiven Ernte der Trauben über die natürliche Pressung bis hin zum Keltern des Weines: Im Weingut Lageder setzt man auf traditionelle und biodynamische Verfahren, die man durchaus mit moderner Technik unterstützt, wenn sie in einer Symbiose zu den Kräften der Natur steht.
Guter Wein dank komplexer Umstände
Südtirol bietet alle Voraussetzungen, um hervorragende Weine zu erzeugen. Die Region liegt in einem Spannungsfeld zwischen Norden und Süden, zwischen mediterranen und alpinen Klimazonen. Auf heiße sonnenreiche Tage folgen kühle Nächte. Durch dieses Wechselspiel ergeben sich elegante, ausgewogene Weine. Charakteristisch für die Region sind zudem die geologische und geografische Vielfalt der Anbaugebiete. Die Trauben reifen in Weinbergen zwischen 200 und 1000 Metern Höhe. Steile Hanglagen sind keine Seltenheit. Die Reben wurzeln in Böden aus Kalk- und Dolomitgestein, Quarzphyllit, lehmhaltigem Porphyrsandstein und sandhaltigem Mergel. Es gilt, für jede Lage die geeignete Sorte zu finden. Wer hier Qualität im Blick hat, muss wissen wie eine Rebsorte den Boden übersetzt.
Ein weiterer Umstand erhöht die Komplexität, verlangt nach mehr Weinverstand und noch mehr Erfahrung. Das besondere Profil der Landschaft bedingt unterschiedliche Mikroklimata. So kann jeder einzelne Weinberg, Trauben mit unterschiedlichen Charaktereigenschaften erzeugen.Es ist die Kunst des Weinmachens, die besondere Eigenart der jeweiligen Lage zur Geltung zu bringen. Dabei kommt es auf das Geschick des Kellermeisters an, gleich ob die Trauben aus eigenen Lagen stammen oder aus dem Zukauf bei bewährten Lieferanten.
Regionalität ist auch eine Philosophie
Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit sind zur Zeit sehr oft verwendete Begriffe. Doch kommt ihnen eine neue, praktische Qualität zu, wenn man sie auf die von Alois Lageder angewendete Praxis des „Kauf auf Ehre“ bezieht. Diese in Südtirol noch gängige Verabredung zwischen Partnern bezieht den Lieferanten der Trauben in das Verkaufsmodell mit ein. Er erhält sein Geld erst, wenn der Wein verkauft ist, und wird so am Verkaufserlös beteiligt. Nachhaltigkeit in der Region wird so zu einer zuverlässigen ökonomischen Praxis. Und im Fokus steht die Qualität des Produkts, die umfassende Kenntnis seiner Herkunft und seines Entstehens. Wie in der Spitzengastronomie, die das regionale und damit auch originale Umfeld für den Bezug seiner Produkte entdeckt hat, ist eine solche Einbindung der Lieferanten Ausdruck einer eigenen Philosophie.
Fünf Generationen Erfahrung stecken in dieser Philosophie ebenso wie das wissbegierige und bedächtige Naturell des derzeitigen Chefs auf dem Weingut. Nachschmecken kann man sie in hochklassigen Weinen, die durch ihre Aromenspektren begeistern. Es erwarten den Gaumen langlebige und großartige Weiß- und Rotweine aus den besonderen Lagen der Region. Eine außergewöhnliche Offenbarung verspricht die alte „Weingutsreserve Rarum“. Dabei handelt es sich um Weine aus den Einzellagen von Löwengang bis zu Cor Römigberg, die 20 Jahre Zeit zur Reife hatten. Hier kann man Tradition und Moderne in einem Atemzug genießen. Denn diese Weine definieren sich über ihre Komplexität sowie eine leichte, fruchtig betonte mineralische Eleganz. Sie kommen zudem einer doppelten Einladung gleich. Sie wollen uns nach Südtirol locken, damit wir noch mehr von dieser Region schmecken. Und sie machen uns neugierig auf den Winzer aus Margreid, der mit seinen Werten hinter diesen Weinen steht.
Lesen Sie auch das Interview mit Alois Lageder.
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